GLAM a.k.a. GLAMMERLICIOUS

Wir schreiben das Jahr 1993: Das Wasser, welches der amerikanische Hip Hop über die in Deutschland heranwachsende Jugendsaat gekippt hat, zeigt seine Wirkung. So beginnt die Hip Hop Szene hierzulande langsam, aber sicher zu wachsen, aus allen Richtungen der Republik entspringen Hip Hop Aktivisten, welche sich zu einem saftigen Kern der Szene vereinen. Aus der bayerischen Landeshauptstadt München wird in diesem Jahr mit „So hat das Volk den Verstand verloren“ das sozialkritische Debüt der dreiköpfigen Main Concept Crew veröffentlicht. Von nun an sollten MC David Pe, DJ Explizit und Produzent Glammerlicious ein fester Bestandteil dieses Kerns und der damit verbundenen aufstrebenden Szene sein.

Zeitsprung: 2007. Hip Hop lebt noch immer, nun sogar omnipräsent, medial am oberen Limit und soundtechnisch scheinbar ohne Grenzen. Main Concept existiert freilich auch noch immer, gehören nach wie vor fest zur Szene, die drei Mitglieder sind sich und ihrem Sound treu geblieben. Vor allem Glammerlicious ist es, der mit seinen Produktionen im Laufe der Jahre weltweite Kontakte knüpfen konnte. Es entstanden Kollaborationen mit den verschiedensten MCs, welche bisher jedoch zu einem Großteil unbekannt blieben. Doch damit ist nun endlich Schluss: Auf LACERATION vereint der Münchner Produzent zwölf Stücke, welche im Laufe der letzten sieben Jahre entstanden sind. Klar, es handelt sich um ein Produzentenalbum, jedoch sollte man dieser Platte zugestehen, zu wesentlich mehr im Stande zu sein. Schließlich gibt es darauf Lieder zu hören, welche aus einer Zeit stammen, in der 50 Cent noch ein armer Schlucker war und keine neun Kugeln in seinem Körper hatte –das will schon etwas heißen.

Die Stimmung des Albums ist vorwiegend sehr zurückgelehnt und smooth, wofür nicht zuletzt die einzigartigen Glammer Beats verantwortlich sind. Vokale Unterstützung bekommt der Münchener hierbei von in erster Linie englischsprachigen MCs, was das Album zusätzlich an Spannung gewinnen lässt. So werden die Reime von amerikanischen Underground-Größen wie den Bush Babees, Craig G, Grand Agent und allen Mitgliedern von Get Open, inklusive Posse-Track, präsentiert. Allein diese MCs sorgen mit ihren unterschiedlichsten Flows auf abwechslungsreichen Beats für große Unterhaltung. Um das Ganze dann aber noch mehr aufzufrischen, bekommt man auch zwei Soulstücke zu hören, für die zum einen die Münchnerin Esther Adam, zum anderen die Sängerin Joy Poirel aus Paris ihre feinen Stimmen hergeben. Zu guter letzt darf man sich über das schon als Single veröffentlichten „Tango“ und „Whowannit“ der Supergroup Black Quarterbacks, bestehend aus Providence, Kamillion und Gianni Dolo (ehemals Square One) freuen.

Nun steht mit LACERATION eine Platte in den Startlöchern, welche in der heutigen Zeit definitiv eine Besonderheit darstellt. Und zwar liegt das ganz einfach daran, dass es solch ein Album bisher noch nicht gegeben hat. LACERATION transformiert Stimmungen aus sieben Jahren Rapgeschehen auf einen Tonträger, präsentiert große verschiedenste internationale Künstler aus vielen Ländern und klingt letztendlich doch sehr schlüssig, wofür vor allem die smoothen Beats von Glammerlicious verantwortlich sind. Dieses Album verkörpert keine Schnelllebigkeit, wie sie uns heute leider allzu oft präsentiert wird, diese Platte ist zeitlos.

text: Stefan Kronthaler